Eine kleine Wanderheuschrecke macht einem nun wirklich keine große Angst. Der ein oder andere aus der westlichen Hemisphäre mag sie zwar für wenig appetitlich halten, obwohl sie anderenorts als Delikatesse gilt. Aber das hängt auch sicherlich vom jeweiligen Kulturkreis ab. Jedenfalls sind Wanderheuschrecken nicht gefährlich, solange sie eine gewisse Anzahl nicht überschreiten. Erst wenn sie zu einem Schwarm zusammen finden werden sie eine Gefahr für die Allgemeinheit. Dann allerdings muss man diese Insekten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen, denn es geht dann ums das nackte Überleben. Auch in modernen Volkswirtschaften trifft man Heuschrecken an. Und auch hier muss man alles Notwendige gegen Finanzheuschrecken unternehmen, sobald sie sich zu einem Schwarm formieren.
Die Rede ist von Renditejägern die ihr Handeln nicht mal mit einem Minimum an moralischer Verantwortung versehen. Sie springen rücksichtslos von Anlagegruppe zu Anlagegruppe mit dem Ziel der besten Rendite. Es gibt weltweit tausende unterschiedliche Finanzprodukte mit denen man Geld verdienen kann. Diese Produktvielfalt beginnt bei „A“ wie Aktien und endet bei „Z“ wie Zertifikaten. Es gibt also viele Möglichkeiten sein Kapital ethisch vertretbar zu investieren. Deshalb darf man nicht auf Grundnahrungsmittel zocken. Der Spekulationsschutz für diese Anlagegruppe liegt mir besonders am Herzen, seit mitten in der Finanzkrise tausende von Anlegern (darunter auch viele Renditegeier) sich in Rohstoffe flüchteten und Warenterminkontrakte kauften. Damit lösten nicht nur im Öl- und Goldmarkt wahre Erdbeben aus, sondern die Preise explodierten auch bei Mais, Weizen und Soja.
Bei Warentermingeschäften handelt es sich um Rohstoffwetten. Diese Wetten werden an den Terminbörsen von New York (NYMEX, COMEX) und London (IPE) gehandelt. Der ursprüngliche Sinn dieser Waren-Termingeschäfte (engl. Futurecontracts) lag darin, die Rohstoffhändler gegen zukünftige Preisschwankungen der „physischen“ Ware abzusichern. Dieses absichern (engl. „Hegding“) findet in der Regel nur auf dem Papier statt. Der reale Handel dieser Rohstoffe findet hingegen an den großen Handelsumschlagplätzen der Welt, wie zum Beispiel in Rotterdam, statt. Das Wetten auf zukünftige Preisveränderungen der Rohstoffe ist sehr renditeträchtig, aber man verdient auch nur durch Kursschwankungen. Diese Warenterminmärkte funktionierten all die Jahre mehr oder weniger gut, weil die Anzahl der Spekulanten (durch Limitierung der Kontrakte) immer in Grenzen gehalten werden konnten. Doch besonders anhand des Ölpreises ließ sich in den letzten Jahren voraus ahnen, dass diese Balance von Zockern und wirklichen Lieferanten auf der einen Seite und limitiertem Rohstoffangebot auf der anderen Seite nicht mehr vorhanden ist. Es existieren für den Handel mit Warenterminkontrakten eigentlich Obergrenzen pro Investor, welche allerdings in den letzten Jahren aufgeweicht wurden. Oder anders gesagt, die Börsen kontrollieren sich letztlich nahezu selbst und dürfen sogar Ausnahmen für diese Obergrenzen erlauben. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass das Ganze aus dem Ruder läuft, denn die Börsen verdienen ja an steigendem Handelsvolumen. Als die Aktienbörsen nun im September 2008 zusammen brachen, formierten sich die Finanzheuschrecken fluchtartig zum Schwarm. Sie begannen, angeführt von Hedge Fonds, in Rohstoffe massiv zu investieren. Die Preise verdoppelten sich innerhalb kürzester Zeit und erreichten neue Rekordstände. Öl und Edelmetalle waren plötzlich so begehrt wie noch nie in der Geschichte. Eisenerz- und Kakaokontrakte fanden reißenden Absatz. Das dramatische an diesem Strategiewechsel war jedoch, das die realen Preise für Nahrungsmittel wie Weizen, Mais und Soja auch in den Himmel stiegen und das bedeutete, hungern für die Armen dieser Welt. Denn die Nahrungsmittel Preise konnten von vielen Ländern und vielen Bedürftigen nicht mehr gezahlt werden. Ich halte es für ethisch nicht vertretbar, das auf Grund von Wetten in New York und London, die Preise für Grundnahrungsmittel steigen und besonders die armen Menschen dieser Welt die Rechnung noch dafür zahlen müssen.
Um das zu verhindern ist es wichtig, dass wir uns nicht für Dumm verkaufen lassen. Also glauben sie nicht alles, was sie lesen oder im Fernsehen hören. Im Herbst zum Beispiel war neben den Nahrungspreisen auch der der hohe Ölpreis das Thema das die Welt bewegte. Wie oft musste ich die Fragen von Journalisten genervt verneinen, die wissen wollten, ob und wann der Ölpreis die Marke von $200/Barrel knacke. Mit der starken Nachfrage aus China, versuchte man diesen Preisanstieg zu begründen. Ich nahm diese abwegigen Theorien nach einiger Zeit nur noch mit einem lächeln zur Kenntnis. Welcher Unsinn wurde uns da nur täglich auch von der Presse aufgetischt. Wie wenn der Ölbedarf eines einzigen (wenn auch riesigen) Landes, den Ölpreis in so kurzer Zeit hätte aufs doppelte ansteigen lassen können. Auch zum Preisanstieg der Nahrungsmittel gab es verwegene Theorien in den Medien zu lesen. Die Chinesen würden plötzlich viel mehr Fleisch essen und deshalb würden ihre Rindviecher viel mehr Getreide brauchen, was zu einer Verengung des Angebots und zu der Verdopplung der Getreidepreise geführt habe. Auch der Biosprit musste als unsinnige Begründung der Preisexplosionen herhalten. Doch es ist für uns alle elementar, die Augen offen zu halten und nur das zu glauben, was wir selbst überprüfen haben. Und siehe da, sechs Monaten später lag der Ölpreis bei $32.70/Barrel. Und auch die Grundnahrungsmittel waren wieder auf einem erträglichen Preisniveau angekommen. Konsumierten die Chinesen nun plötzlich weniger Fleisch? Oder verbrauchten sie nun deutlich weniger Sprit?
Das war alles Unsinn, sag ich ihnen. Der Grund für die Preisexplosion an den Warenterminmärkten war hauptsächlich die Invasion der Finanzheuschrecken. Die panikartige Flucht aus den Aktienmärkten, verursacht durch die Lehman-Pleite, trieb viele Anleger in sichere Anlagegruppen wie Staatsanleihen oder Rohstoffe. Denn in der Krise sind vor allem Edelmetalle sichere Häfen für Anleger. Doch es flutete immer mehr Geld in die Terminmärkte und dieses musste investiert werden und so wurden nach dem Öl die anderen Rohstoffmärkte mit Liquidität überschwemmt. Dagegen stand ein begrenztes Angebot aus Weizen, Mais, Öl und Kakao. Das führte hauptsächlich zu diesen Preisverwerfungen, die viele Menschen in der Welt in Existenznot brachten. Nach wenigen Monaten war der Ansturm vorbei und die Finanzheuschrecken wanderten weiter. Doch das gleiche geschieht immer wieder .
Spekulationen auf Grundnahrungsmittel gehören strengstens reguliert und limitiert. Kurzfristig orientierten Investoren gehört der Zugang zu den Warenterminmärkten nur begrenzt erlaubt. Eine solche Regel existiert bereits seit vielen Jahren an der NYMEX, aber im Rahmen der Liberalisierung der Märkte wurden diese wichtigen Kontrollfunktionen in die Hände der Börsen gegeben. Nun will man angeblich derartige Perversionen nicht mehr dulden und arbeitet an einer neuen Regulierung der Märkte, um vor allem Hedge Fonds die Investments an den Rohstoffbörsen zu erschweren. Die die staatliche Behörde CFTC ist damit betraut worden diese Absichten in klare Regelungen um zu setzen. Die Entscheidungshoheit zum Festlegen von Obergrenzen im Warenterminhandel muss wieder zurück an die CFTC (staatliche Behörde) zukehren. Ausnahmeregelungen sollte recht spärlich vergeben werden. Allerdings ist der Behörden Chef, Gary Gensler, ein alter bekannter aus Clintons Finanz-Administration. Damals verweigerte Gary Gensler noch stärkere staatliche Regulierungen der Finanzmärkte. Nun scheint er entschlossen, hart durch zu greifen. Die Hoffnung, dass solche Exzesse an den Terminbörsen der Vergangenheit angehören, keimt auf. Und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aber sie stirbt eben auch.
Dieser Arikel wurde von mir vor knapp 18 Monaten geschrieben. Viel verändert hat sich seit dem nicht. Ausser vielleicht, dass die Rohstoffpreise durch Spekulation verursacht wieder neue Rekordpreise erzielen und wieder Teile der westliche Gesellschaft mit Essen spielen.