29. Oktober 2009. Die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft scheint sich schneller von der Wirtschaftskrise zu erholen als zunächst erwartet werden konnte. Im letzten Quartal stieg die Wirtschaftskraft im „Land des Lächelns“ um satte 9,8 Prozent. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt erholt sich zusehends von der Finanz- und Wirtschaftskrise, dank eines milliardenschweren Konjunkturprogramms und expansiver Kreditvergabe. Die Wirtschaft des Landes schafft es offenbar innerhalb weniger Monate wieder zu alter Stärke zurück zu finden. Doch nicht alles ist Gold was glänzt, denn der Aufschwung in Fernost birgt auch Risiken. Gefährliche Preisblasen, ein schleppender Export und leichtfertige Kreditvergaben gefährden langfristig den gegenwärtigen positiven Aufwärtstrend. Stabilitätsrisiko oder Flaggschiff der Weltwirtschaft? Wie stabil und nachhaltig ist das starke Wachstum Chinas?
Momentan wird in China viel Geld gedruckt um die Wirtschaft auf Kurs zu halten. Durch eine schnell ansteigende Geldmenge ist zum einen die Gefahr einer Inflation groß und zum anderen ist dies der Humus einer jeden Preisblase. Genau diese Gefahr besteht aktuell weltweit aufgrund der expansiven Geldpolitik der Notenbanken, die durch diese Maßnahme eine Depression zu verhindern suchen. Besonders an den Aktienbörsen Chinas ist die Entstehung von Preisblasen deutlich zu erkennen, wo die Indizes seit Anfang des Jahres bereits bis zu 90 Prozent hinzu gewinnen konnten. Eine zwischenzeitliche Kurskorrektur ist in diesen überhitzten Märkten schon lange überfällig. Doch Preisblasen entstehen nicht nur an den Finanzmärkten sondern auch in anderen Anlagegruppen. Beispielsweise im chinesischen Immobilienmarkt geht es derzeit hoch her und Häuser sind heiß begehrt in Shanghai, Peking und den anderen Metropolen. Die Zuwachsraten der Immobilienpreise sind jährlich zweistellig. Allerdings sind hier die Verschuldungsquoten der Eigenheime im internationalen Vergleich immer noch gering, was bei einem plötzlichen Preisverfall die Immobilienmärkte vor dem Schlimmsten bewahren könnte. Langfristig sind allerdings Entwicklungen am chinesischen Immobilienmarkt und mögliche Risiken einer Blasenbildung genaustens zu beobachten. Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas war bisher vor allem abhängig vom Exportzweig der Industrie. Hier stotterte besonders das Geschäft mit dem größten Handelspartner USA. Doch die aktuelle Dollarschwäche und die Kopplung des Renminbi an die US-Währung, bringt China wieder auf die Siegerstrasse durch enorme Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Exportnationen wie Japan und Deutschland. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres konnte man den Wettbewerbern bereits verloren gegangene Marktanteile in den USA wieder abjagen. Trotz dieser Erfolge wird die Auslandsnachfrage, auf absehbare Zeit, nicht mehr die Kraft früherer Tage entwickeln können. Die solide Binnennachfrage und ein starker Dienstleistungssektor scheinen die Wirtschaft jetzt voran zu bringen. Doch was passiert wenn die Konjunkturprogramme auslaufen und der Konsum sich von selbst tragen muss? Wird dann noch ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in diesen Größenordnungen möglich sein? Das wird nur durch eine geringere Abhängigkeit vom Export möglich, was eine deutliche Stärkung der Binnennachfrage erfordert und diese ist nur langfristig möglich. Die derzeitige Dollaranbindung des Renminbi wird international stark kritisiert. Besonders die exportorientierten Europäer verlangen eine Aufwertung der chinesischen Währung zum Dollar. Und auch die US-Amerikaner sehen eine Aufwertung des Renminbi als eher wahrscheinlich an. Innerhalb der letzten Jahre hat bereits eine Anpassung der Währung um 21 Prozent stattgefunden. Das jedoch reicht den Europäern nicht aus und sie planen eine internationale Konferenz zum Thema Renminbi-Aufwertung. Erwartet wird eine Aufwertung zwischen drei bis fünf Prozent zum Dollar. Das wird die chinesische Wirtschaft sicherlich locker wegstecken können.
Eine weitere Finanzkrise wäre hingegen nicht so einfach wegzustecken, wo doch die letzte noch gar nicht verdaut werden konnte. Großzügige Kreditvergaben stimulieren die Wirtschaft eines Landes bekanntlich. Das war auch im ersten Halbjahr dieses Jahres in China der Fall. Nur allzu oft kommen viele dieser fragilen Kredite in schlechten Zeiten wie ein Bumerang zum Kreditgeber zurück. Das Erbe von leichfertigen Kreditvergaben aus den Jahren 1998 bis 2000 belastet immer noch Chinas Finanzsystem. Damals bestand die Regierung in Peking gegenüber führenden Banken auf Kreditvergaben an unprofitable Staatsunternehmen. Nach Schätzungen lagern immer noch ein Drittel dieser faulen Kredite tief unten in den Kellern der betroffenen Finanzinstitute und belasten massiv die Bilanzen. Dazu kommen die Abschreibungen aus der US-Hypothekenkrise, die das chinesische Bankensystem allerdings vergleichbar unterdurchschnittlich unter Druck setzte. Das Geldverleihen geht munter weiter. In diesem Jahr ist das Kreditvolumen in China besonders gewaltig. Bis September lag das Volumen aller Kredite um 150 Prozent über dem Niveau des Jahres 2008. Besonders in der ersten Hälfte des Jahrs geizte man nicht mit Krediten. Das führte dazu, dass vor einigen Monaten die Regierung aus Angst vor einer Blasenbildung durch die Überhitzung des Kreditmarktes einige Maßnahmen zur Regulierung ergriff. Sie ließen das Kreditvolumen drastisch reduzieren. Der Einfluss auf die Ergebnisse der Unternehmen wird man erst nach den nächsten Monaten ermessen können. Die größten Banken der Welt, wie unter anderem die Bank of China und die Industrial & Commercial Bank of China, sollen nun ihre Risikovorsorgen und die Eigenkapitalquoten erhöhen. Damit will man sich vor eventuellen Kreditausfällen in Milliardenhöhe wappnen. Dazu müssen sich die Banken künftig vierteljährlich einem Stresstest unterziehen. Oberflächlich gesehen stehen die chinesischen Banken aber gut da. Erwartete Gewinnzuwächse von über 30 Prozent für 2010 sind da keine Seltenheit. Doch vor überhöhten Erwartungen und Schätzungen sei an dieser Stelle gewarnt.
Im ersten Halbjahr 2009 hat man in China vieles richtig gemacht. Auch der drohenden Überhitzung auf dem Kreditmarkt scheint man getrotzt zu haben. Ob diese Maßnahmen rechtzeitig greifen ohne die wirtschaftliche Dynamik zu zerstören bleibt indes abzuwarten. Das werden wir erst anhand der Zahlen der nächsten Quartale ersehen. Es bleiben die Sorgen über Inflationsrisiken durch expansive Geldpolitik und den hohen Rohstoffverbrauch des Landes, Wachstumsrisiken nach dem Auslaufen der Konjunkturpakete sowie über eine weitere Krise des Finanzsystems. Bisher haben die Chinesen vieles richtig gemacht. Wir können nur auch im eigenen Interesse hoffen, dass dies zukünftig auch so bleibt.