Barfuß oder Lackschuh?
Muss Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen? Klares Nein! Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die Europäische Union oder die anderen EU-Partner für die Schulden eines Mitgliedsstaates haften. Mit den Stabilitätskriterien des Vertrags und dem Stabilitätspakt wird von vorne herein sichergestellt, dass die Nettoneuverschuldung auf unter 3% des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Die Euro-Teilnehmerstaaten werden daher ohne Probleme ihren Schuldendienst leisten können. Eine Überschuldung eines Euro-Teilnehmerstaats kann daher von vorneherein ausgeschlossen werden. CDU-Wahlplakat von 1999.
Dieser Slogan hat schon fast etwas Ulkiges an sich. So leicht kann man sich täuschen. Die Eurokrise brach elf Jahre später aus. Längst sind wir in einer Schuldenunion und stehen für die Staatsschulden anderer Länder ein. Mitgehangen, mitgefangen. Alles begann mit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und daraus folgender Überschuldung der Euro-Peripherieländer. Die Stützung dieser Länder machte eine gemeinsame Haftung hoffähig. Vermutlich ist das gemeinsame Geradestehen für Schulden noch begrenzt durch Vehikel wie den EFSF oder zukünftig den ESM. Doch selbst darüber streiten sich die Experten, denn es existieren Rechtsgutachten, die eine Refinanzierung des Rettungsschirms durch andere Institutionen – wie die EZB – bereits jetzt als möglich ansehen. Eine wahrscheinlich fortschreitende Schuldenkrise wird nach den bisherigen Rezepten aber auch weiteres Geld für notleidende Volkswirtschaften nötig machen. Der nächste Schritt in die komplette Schuldenunion ist damit nicht mehr so fern, wie uns unsere Politiker weismachen wollen. Es bedarf also nicht erst der berüchtigten Eurobonds, um die Schuldenunion zu vollenden. Und eine Schuldenunion ohne Schuldenkontrolle ist selbst für die Befürworter dieser Krisenlösung unvorstellbar. Wo soll das hinführen?
Die Schuldenkrise ist längst auch für Deutschlands Solidität zur Bedrohung geworden. Es bürgt mittlerweile für viele Hundert Milliarden Euro für Griechenland und Co. Gerade deshalb müssen die alten Rezepte zur Krisenbekämpfung jetzt überdacht werden. Es gibt eigentlich nur zwei Wege aus der Schuldenkrise heraus.
Die eine heißt: Mehr Europa. Darin müssten die europäischen Institutionen demokratisiert werden. Das EU-Parlament müsste dabei massiv an Bedeutung hinzugewinnen und Institutionen wie EU-Kommission und Europarat dagegen deutlich an Einfluss verlieren. Ohne neue EU-Verfassung wird das kaum gelingen. Die europäische Wirtschafts- und Finanzunion müsste folgen und vollendet werden und dabei müssten Souveränitätsrechte von Nationalstaaten nach Brüssel übertragen werden. Am Ende dieser Entwicklung könnte dann die gemeinsame Haftung der Europäer für ihre Schulden stehen. Allerdings wäre diese Lösung im Übergang mit weiteren Bürgschaften und Krediten verbunden und würde eine europaweite Volksabstimmung über eine neue Verfassung voraussetzen. Der Erfolg eines solchen Plebiszits wäre mehr als fraglich. Außerdem würden weitere Kredite die Bonität Deutschlands gefährden.
Die Alternative heißt weniger Europa: Man muss dann einen Schlussstrich ziehen, die Konsequenzen tragen und hoffen das der entstehende Sturm vorüberzieht. Konsequenterweise dürfte man keine weiteren Kredite für hoffnungslose Staatskassen bereitstellen. Notleidende Länder müssten den Euroraum verlassen und in eigene Währungen zurückkehren. Das wäre für die Bevölkerung mit großen Einschnitten und für die Exit-Länder mit massiven Unruhen verbunden. Die Gläubiger der Exit-Länder müssten dann die bereits ausgezahlten Kredite abschreiben. Die Bonität Deutschlands gerät dann ebenfalls in Gefahr und die Herabstufung wäre eine mögliche Folge. Deutschland könnte versuchen den Euro mit anderen Euroländern zu erhalten. Gelänge dies würde es zu einer deutlichen Stabilisierung der Lage kommen. Aber die Grundlage dafür wäre ebenfalls die Wirtschafts- und Finanzunion zu vollenden.
Beide Wege aus der Krise sind riskant. Es existiert kein „goldener Weg“ um die Völker Europas aus der Krise zu führen. Aber die Grundsatzentscheidung wohin der Weg Eurolands gehen soll, ist längst überfällig. Dazu bedarf es Kompetenz, Mut und Handlungsfähigkeit. Und es bleibt zu hoffen, dass man in den Einschätzungen besser liegt als 1999.