Droht das Ende der Finanzsteuer?
Die Finanztransaktionssteuer droht zu scheitern, bevor sie eingeführt wird. Sie sollte in Europa ursprünglich 2014 durchgesetzt werden, auch wenn die restliche Welt nicht mitspielte. Die Steuer soll angeblich den Finanzsektor für die Krise zahlen lassen und die Spekulation an den Börsen eindämmen. Doch wurde da nicht zu viel versprochen?
Am 28. September 2011 stellte der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso einen Gesetzentwurf der EU-Kommission zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der EU vor. Eine europäische Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte, die den gesamten Bankensektor zusätzlich an den Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 beteiligen sowie die Spekulation an den Finanzmärkten eindämmen sollte. In den folgenden Monaten forcierte die EU-Kommission das Tempo bezüglich der Einführung einer Finanzsteuer, welche von Frankreich und Deutschland bevorzugt wurde. EU-Kommissionspräsident Barroso warb bei den Mitgliedsländern für die Einführung einer Steuer, die auf alle (sowohl börsliche- wie außerbörsliche) Transaktionen anfallen sollte. Der Steuersatz sollte 0,1 Prozent auf den Handel von Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent für Derivate von Aktien und Anleihen betragen. Der Finanzsektor soll für die Krise in Mithaftung genommen werden. Die Kommission erhoffte sich von der neuen Steuer im besten Fall Einnahmen von bis zu 55 Mrd. Euro für die gebrandschatzten Staatskassen. Andere Schätzungen liegen da allerdings deutlich niedriger bei einstelligen Milliarden Beträgen. Zusätzlich erhoffen sich die Politiker vordergründig durch die Erhebung einer Steuer auf Finanztransaktionen eine beruhigende Wirkung auf die Börsen. Denn, so die Idee die dahinter steckt, wenn Spekulanten Steuern auf kurzfristige Spekulationen bezahlen, dann wird sich diese Zockerei nicht mehr lohnen. Oberflächlich betrachtet leuchtet das ein. Doch hält diese Sichtweise einer strengeren Überprüfung stand?
Womit wir schon beim Für und Wider einer solchen Finanztransaktionsteuer wären. Vorab, begibt man sich damit auf Neuland, denn es gibt bisher nirgendwo auf der Welt eine derartige Steuer. Es existieren wohl bereits einzelne Kapitalverkehrssteuern. Darunter fallen die Börsenumsatzsteuer und die sogenannte Stempelsteuer. Die Börsenumsatzsteuer (Umsatzsteuer auf Börsengeschäfte) gab es bis Anfang der Neunzigerjahre auch in Deutschland und wurde dann abgeschafft. In Großbritannien existiert seit Jahrhunderten eine zunächst breiter gefasste Stempelsteuer. Diese entfällt aber mittlerweile fast nur noch auf den Erwerb von englischen Unternehmensanteilen an den britischen Wertpapierbörsen. Es bleibt also festzuhalten, dass bisher kein Land mit einer umfassenden Finanztransaktionsteuer Erfahrungen gesammelt hat. Als Folge dessen ist man auf Studien angewiesen und Prognosen sind schwierig, denn die Reaktionen der Finanzmarktteilnehmer nach Einführung einer Steuer sind schwer abzuschätzen. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Die Hauptargumente der Befürworter einer Transaktionssteuer sind die überfällige Mithaftung des Finanzsektors in der Krise und die Eindämmung von Spekulation an den Finanzmärkten.
Die Mithaftung des Finanzsektors
Im Falle der Einführung einer räumlich begrenzten Transaktionssteuer wird es zu Steuer-Vermeidungseffekten kommen, die die zu erwartenden Steuereinnahmen beträchtlich abschmelzen würden. Die Steuervermeidungsstrategien könnten zum Beispiel beinhalten, dass die Geschäfte in Steueroasen verlagert werden. Besonders dann wäre das der Fall, wenn eine solche Steuer nur für die EU gelten würde. In London, New York und Shanghai würde man dann die Sektkorken knallen lassen. Eine Kapitalflucht wäre die Folge. Andere Vermeidungsstrategien würden im Falle der Steuereinführung dazu führen, dass steuerbefreite Finanzprodukte bevorzugt gehandelt werden. Auch das würde die Steuereinnahmen senken. In wieweit Marktteilnehmer das erhöhte Steueraufkommen in Form von Gebühren an die Verbraucher weiter geben würden, ist umstritten. Aber über Banken, Versicherer und Pensionsfonds würden sicherlich viele Milliarden auf die Bürger umgewälzt werden. Und welche Kosten auf die Industrie zukämen ist auch noch offen, denn dort werden täglich viele Milliarden an Absicherungsgeschäften im Devisenbereich getätigt. Auch diese Kosten würden an die Bürger weitergereicht. Der Effekt der Mithaftung des Finanzsektors fällt also im Falle der Steuereinführung deutlich geringer aus, weil die Marktteilnehmer ihre Kosten reduzieren würden und auch auf die Bürger umwälzen könnten. In Schweden wurde deshalb 1992 eine Börsenumsatzsteuer nach nur 7 Jahren wieder abgeschafft.
Die Eindämmung der Spekulation
Es ist wohl wahr, dass das Handelsvolumen an den Weltbörsen in den letzten Jahren gigantisch angestiegen ist. Das Volumen der Devisentransaktionen ist beispielsweise 70-mal größer als der Handel mit Waren. Im Bereich der Zinsderivate ist das Verhältnis sogar 100-mal größer. Aber das hängt nicht unmittelbar mit einer größeren Bereitschaft zur Spekulation zusammen. Weitere Faktoren haben sich auch auf das Volumen ausgewirkt. Zum Beispiel hat im Rahmen der Globalisierung die Wirtschaft ein steigendes Interesse an Absicherungsgeschäften in Devisen für den Handel mit Waren. Die Aktivitäten von liquiditätsspendenden Market Makern an den Börsen haben auch zu einem beträchtlichen Anstieg des Handelsvolumens der letzten Jahre beigetragen.
Von der Transaktionssteuer verspricht man sich in Brüssel auch einen positiven Einfluss auf die enormen Preisschwankungen an den Börsen. Deshalb will man universell die Spekulation mit einer Steuer eindämmen. Aber dafür ist das Instrument denkbar ungeeignet. Erhält man denn weniger oder mehr Preisschwankungen an den Finanzmärkten, wenn man dem Markt Liquidität entzieht. Durch eine rein europäische Transaktionssteuer würden Marktteilnehmer flüchten und in anderen Ländern ihren Geschäften nachgehen. Das entzöge dem europäischen Finanzmarkt Kapital. Preisspannen würden dadurch wieder vergrößert und die Schwankungen werden dadurch sicher nicht abnehmen. Im Gegenteil, sie würden sich sogar verstärken.
Der Finanzsteuer droht das Scheitern
Im Juni 2012 wurde die Zielsetzung einer Einführung in der gesamten Eurozone aufgegeben. Gegen die Steuer lief vor allem die City of London Sturm. Sie fürchtet Milliardenverluste und zugleich Nachteile mit internationalen Finanzplätzen wie Singapur oder der Wall Street in New York. Die verbleibenden EU-Länder einigten sich darauf die Finanztransaktionssteuer nunmehr nur in den befürwortenden Ländern einzuführen. Die Basis dafür findet sich im EU-rechtlichen Rahmen einer sogenannten „verstärkten Zusammenarbeit“ von mindestens neun EU-Ländern, die sich daran beteiligen. Dazu gehören Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Belgien, Österreich, Portugal, Spanien, Slowenien und Italien. Dazu kamen zuletzt Estland und die Slowakei. Im Januar einigte man sich auf die grundsätzliche Einführung der Steuer in diesen Ländern und hofft nun nur noch auf 30 Milliarden Euro Einnahmen daraus. Aber europarechtliche Bedenken haben dazu geführt, dass die Einführung bis auf weiteres verschoben wurde. Unter steuer- und finanzpolitischen Gesichtspunkten wird eine Finanztransaktionssteuer weiterhin kritisch gesehen und derzeit nochmals juristisch in Brüssel geprüft. Der juristische Dienst des Europäischen Rates, also der Mitgliedsstaaten, hat der City of London in einem Gutachten recht gegeben in deren Einschätzung, das Standortprinzip sei nicht mit dem EU-Vertrag vereinbar und würde den Wettbewerb in der EU verzerren. Auf den EU-Gipfeln in diesem Jahr wird das Thema wohl nicht mehr von den Regierungschefs der EU behandelt werden. Fortsetzung folgt, vielleicht.
Die beabsichtigte Eindämmung der Spekulation ist richtig. Aber es existiert dafür kein universelles Instrument, um alle Spekulationen mit einem Mal zu unterbinden. Das ist politischer Populismus. Bessere Möglichkeiten die Zockerei an den Börsen zu reduzieren wäre beispielsweis eine Mindesthaltefrist im Hochfrequenzhandel zur Entschleunigung der Märkte und die Stärkung von Transparenz durch die Einführung einer Börsenpflicht für den Derivatehandel, der mit einem Volumen von 600 Billionen USD 10-mal größer ist als das Weltbruttosozialprodukt. Eine Finanztransaktionsteuer sollte wenn dann nur auf internationaler Ebene der G-20 Staaten eingeführt werden, damit den meisten Steuervermeidungsstrategien ein Riegel vorgeschoben wird. Ein fairer und effizienter Wettbewerb unter den Finanzplätzen ist auch nur dann gewährleistet. Die extremen Verwerfungen der letzten Jahre erfordern die Eindämmung von Spekulation. Aber nicht über Steuern, sondern durch höhere Transparenz und Regulierung an außerbörslichen Handelsplätzen. . Wer dennoch eine Steuer befürwortet, der sei gewiss, dass nicht nur die Banken die Zeche dafür zahlen werden.