Oliver Roth wundert sich über die – seiner Ansicht nach vermeintliche – Griechenland-Lösung.
16. Juli 2015. FRANKFURT . Eine Einigung im Streit um Griechenland wurde erzielt. Hosianna Finanzmärkte, arme Steuerzahler. Es ist gut für die Griechen, das Griechenland vorerst im Euro bleibt. Die Einigung, ist aber erzwungen und steht deshalb auf wackeligen Füssen. Über 80 Milliarden Euro wird Griechenland in den nächsten drei Jahren erhalten. Frisches Geld wird jetzt dem bereits verlorenen hintergeworfen. Hatte Frau Merkel und Co. ein Mandat dafür, neues Geld zu verschenken?
Wenigstens ist das Schlimmste verhindert worden: Neben dem Geld auch noch die Eurozone unmittelbar abschreiben zu müssen. Denn für Alexis Tsipras waren Verhandlungen und Ergebnis in Brüssel so unangenehm, dass sie nicht als Motivation für andere taugen. Es hätte für andere Linkspopulisten in Europa ein Vorbild sein können, dem Wähler unhaltbare Versprechungen zu machen und einfach die Schulden nicht zurückzuzahlen. Das Ende der Eurozone wäre so vorprogrammiert. Die gefundene „Lösung“ ist beileibe nicht das „Ei des Kolumbus“, aber es hätte noch schlimmer kommen können, wenn die Weichgespülten um Juncker, Renzi und Hollande sich durchgesetzt hätten.
Hier ist Wolfgang Schäuble, jetzt der Buhmann Europas, besonders dankend zu erwähnen. Wäre der „Eiserne“ nicht hart geblieben, hätte andere den Glücksspielern aus Athen wieder nicht Einhalt geboten. Eine unsägliche Erosion in der EU wäre die Folge gewesen. Er war „der Standhafteste“ einiger erboster Euro-Länder, die es satt waren, vorgeführt zu werden von den smarten Jungs von der Akropolis, die nach lustigen Ouzo-Feten im Anschluss an die Euroeinführung nun ihre eingegangenen Verpflichtungen einfach per Wahl und Referendum abwählen wollten.
Europa ist nun angezählt. Noch nie, in den letzten 50 Jahren, war man so zerstritten. Ein tiefer Riss geht durch die europäische Union. Und hätte der ganze Streit um Griechenland nicht verhindert werden können, wenn man jetzt doch zahlt? Es war nichts schlimmer, als einen Hasardeur aus Athen mit seiner krummen Tour solange gewähren zu lassen. Deshalb Respekt vor dem knorrigen Wolfgang Schäuble, der sich gegen die Allesversteher, die wieder einmal mit fremden Milliarden alles zusammenhalten wollten, durchgesetzt hat. Hätten diese Herren bei Alexis Tsipras vor drei Monaten klare Kante gezeigt, wäre das Thema längst durch gewesen. Aber sie mussten ja – schlaue Verhandlungstaktik– gleich beim ersten Gegenwind bedeuten, man wolle weiterverhandeln und sei zu Kompromissen bereit. Einfach großartig.
Nun bekommt also Griechenland frisches Geld. Für was, ist aber die Frage. Das Gerede, das bisher geliehene Geld stünde mehr oder weniger stark auf dem Spiel, ist insgesamt absurd. Das Geld ist ohnehin weg. Kein Mensch sollte glauben, dass es zu unseren Lebzeiten wirklich zurückbezahlt wird. Die einzige Chance des Steuerzahlers, besteht darin den Griechen den Weg zurück zu privaten Gläubigern zu ermöglichen, damit diese die öffentlichen Gläubiger wieder ablösen. Aber wer verleiht sein Geld an jemanden, der schon so oft seine Versprechen gebrochen hat? Dessen Aussichten auf Besserung so schlecht stehen? Dazu würde es eines Umdenkens bedürfen. Sowohl in der griechischen Gesellschaft, die den Staat nicht länger als goldene Kuh melken darf und ein Geschäftsmodell für das Land entwickeln müsste, wie auch von Gläubigern, welche den Griechen -bei allem Sparen- Mittel für Investitionen in die Wirtschaft zur Verfügung stellen müssten. Davon ist bisher wenig bis nichts zu erkennen.
Man kann es im Falle der Pleite niemals allen recht machen. Deshalb kann es nun nur darum gehen, den besten Weg für alle zu finden. Eine Griechen-Pleite wäre die beste Lösung gewesen. Mittelbar für Griechenland und unmittelbar für die Eurozone. Dieses Land muss sich völlig neu erfinden und das geht nur schlecht, solange dauernd Geld von selbst einfließt und die Überschuldung bestehen bleibt. Die politischen Parteien müssen die Attraktivität für ihre Wähler verlieren. Wo nicht viel zu verteilen ist, da kann auch nicht viel an die eigenen Anhänger geschoben werden. Eine Abwertung der Währung, Entschuldung und die komplette Neuausrichtung der Wirtschaft wären die Grundpfeiler eines möglichen Erfolgsmodells gewesen. Das wird so nicht passieren. Für die Eurozone wäre der Austritt der Griechen für alle ein heilsamer Schock gewesen, die bis dato glaubten, die Gemeinschaftswährung gäbe es zum Nulltarif. Gemeinsame Regeln und Werte machen den Geist eines Vertrages aus. Der Euro wäre, durch den Austritt des schwächsten Gliedes, gestärkt hervorgegangen. Doch diese Chance wurde aus Angst vor dem Unbekannten Terrain vertan. Der Euro wäre in diesem Geiste niemals entstanden. Bitteschön, da haben wir nun den Salat. Die nächste Staffel dieser Seifenoper um Griechenland folgt alsbald auf diesem Kanal.