Warum der Crash an den Geldmärkten systemimmanent ist und weshalb sich der Einstieg in den Aktienmarkt trotzdem lohnt – ein Interview mit Börsenexperte Oliver Roth im Rahmen der Wahl zum Broker des Jahres 2016
„Earning by doing“ erscheint im September als Taschenbuch. Für wen haben Sie das Buch geschrieben?
Oliver Roth: Mein Buch habe ich zunächst als große persönliche Erfahrung gesehen. Ich freue mich aber natürlich auch, wenn es den Lesern gefällt und dazu einen Mehrwert bringt. Das Buch enthält viele verständliche Tipps für die Leser zu optimalen Geldanlage von A wie Aktien, über I wie Immobilien bis hin zu Z wie Zertifikaten. Es ermöglicht Aktien-Interessierten einen einfachen Einstieg und ist ein leicht verständlicher Leitfaden zum Thema Geld und Vermögensaufbau. Ich möchte Menschen den Einstieg in die Finanzwelt mit einfacher Sprache und amüsanten Geschichten vereinfachen.
Was empfehlen Sie Einsteigern in den Aktienmarkt?
Oliver Roth: Einsteigern empfehle ich, sich erst mal einzulesen in das Thema Geld. Fahrrad fahren verlernt angeblich niemand, aber erlernen muss es der Einzelne schon irgendwann einmal. Das gleiche gilt für den Aktienmarkt. Es gibt viel Literatur, aber keine Sorge: Um das Geldmanagement zu erlernen, braucht niemand ein Harvard Studium.
Wovon würden Sie generell abraten?
Oliver Roth: Auf eigene Faust direkt loszulegen oder sich von von irgendwelchen Anlageberatern etwas aufschwatzen zu lassen, ohne zu Wissen was da gerade passiert.
Die wichtigste Grundregel, welche Einsteiger beim Einstieg in den Aktienmarkt beachten sollten, lautet…
Oliver Roth: …machen sie nichts, was sie nicht wirklich verstehen. Um zu verstehen, benötigen sie eine Grundlage. Für etwas Wissen muss der Anleger sich schon Zeit nehmen.
Frei nach Faust: Nach Golde drängt, am Golde hängt, doch alles. Zumindest sind Anlagen in Rohstoffe momentan besonders beliebt. Gold-ETFs, Goldfonds, physisches Gold – inwieweit lohnt sich für Einsteiger die Beschäftigung mit diesem Edelmetall?
Oliver Roth: Gold ist eben Gold. Es hat zwar über Jahrhunderte die Funktion von Geld übernommen, aber trotzdem ist es ein eigenständiges Urgeld, mit eigenem Wert. Daraus wurden Münzen geprägt und Schmuck für die Ewigkeit hergestellt. Wohl gemerkt, wir reden gerade über reales Gold. Davon sollte der Anleger als Notgroschen immer etwas in seinem Tresor haben. Wer aber in Goldpapiere wie Fonds und Aktien investiert, muss wissen, das der Rücktausch in unser Papiergeld System stark schwankt.
Um noch eine alte Weisheit zu verwenden: Es ist nicht immer Gold, was glänzt. Gold als Investment ist für mich hoch spekulativ. Aktuell ist Gold wieder im Trend, nach einer langen Durststrecke. Alleine im letzten Jahr gewann Gold in Papiergeld 16 % hinzu. Wer aber vor fünf Jahren Gold Fonds kaufte, der verlor 30 %. Das hängt stark vom Misstrauen vieler Investoren vom derzeitigen Geldsystem ab. Sollte sich das Vertrauen in Papiergeld aber weiter erholen, wird auch der Goldpreis davon profitieren.
Ihre Meinung zu Online-Vermögensverwaltungen? Leichter Zugang oder zu leichter Zugang?
Oliver Roth: Online-Vermögensverwaltungen bzw. Robo-Advisor sind etwas für Menschen, die bereits wissen, wie sie ihr Geld anlegen wollen. Nichts für Anfänger. Dennoch finde ich die Idee hervorragend, eigene, individuell gestaltete Strategien verfolgen zu können – größtenteils über ETFs. Aber auch hier gibt es gute und schlechte Portale, die es vorab zu überprüfen gilt.
Am Ende Ihres Buches kritisieren Sie, dass eine einheitliche Regelung zur Kontrolle der internationalen Kapitalströme fehlt. Statt zu handeln, herrscht der Konjunktiv vor. Inwieweit ist das frustrierend und steuern wir unaufhaltsam auf den nächsten Crash zu?
Oliver Roth: Der nächste Crash kommt ganz sicher, völlig unabhängig davon, ob wir die Kapitalströme besser kontrollieren werden oder nicht. Der Crash ist Teil des Systems, des Kapitalismus. Er wird vorbeireitet von fehlgeleiteten Geldströmen, wodurch sich Vermögensblasen bilden, welche dann platzen und zur Panik führen – ein Crash. Aber durch verbesserte Überwachung und Kontrolle von weltweiten Kapitalströmen könnte eine Crash-Gefahr besser vorhergesagt und vielleicht auch öfter als bisher verhindert werden. Politisch ist die Kapitalstrom-Kontrolle aber nicht gewollt. Dazu sind die nationalen Interessen weltweit zu unterschiedlich.
Die Anzahl der Anleger in Deutschland steigt langsam, allerdings sind wir von den Zahlen der New Economy-Boomphase noch weit entfernt. Weshalb sind die Deutschen so zurückhaltend, wenn es um Wertpapiere geht?
Oliver Roth: Das hat verschiedene Gründe. In Deutschland gibt es einerseits eine geschichtlich begründete Aversion gegen jedwedes Risiko. Alleine im 20. Jahrhunderts verloren die Deutschen, durch zwei Kriege und zwei totale wirtschaftliche Zusammenbrüche praktisch alles. Das prägt. Hinzu kommt, dass Aktien als Anklageinstrument erst zum Beginn des 20. Jahrhundert für die Allgemeinheit interessant wurden. Just in dieser Ära herrschten in Deutschland aber totalitäre Regime, welche die Aktienkultur nicht förderten. Einmal waren die Deutschen dicht daran, eine Beziehung zu Aktien aufzubauen: Allerdings wurden sie innerhalb der Dot.com-Blase im Jahre 2000 bitter enttäuscht und kamen bisher nicht mehr zurück.
Was fasziniert Sie heute noch am Börsenparkett?
Oliver Roth: Obwohl ein Großteil des Handels inzwischen auf Computern läuft, ist das Parkett weiterhin das Fenster zur Börse. Es bringt den Menschen die Börse näher. Besonders für uns Deutsche ist das wichtig, im Umgang mit Geldanlagen und der Aktie. Mich fasziniert am Parkett, das hier unternehmerische Visionen mit Kapital zusammentreffen. Der Urknall der Börse. So entstehen große Unternehmen. Kein Tag ist wie der andere und Langeweile kommt hier selten auf.