Chinas Kampf gegen die Inflation

Damit die Preise nicht noch mehr steigen, bremst die Volksrepublik Banken – und denkt über geringere Zölle auf Nahrungsmittel nach. Zugleich lässt die Notenbank den Renminbi auf den höchsten Stand seit 17 Jahren, um dem G-20 Gipfel vorzugreifen. Die chinesischen Banken sollen weniger Kredite ausreichen. Die Zentralbank erhöhte am Freitag den Mindestreservesatz für die Institute um 50 Basispunkte auf 19,5 Prozent. Damit müssen die Geschäftsbanken mehr eigenes Kapital in den Büchern vorbehalten. Sie können damit weniger Hypotheken oder Konsumentenkredite gewähren. Der Schritt ist der nächste im Kampf der People’s Bank of China (PBOC) gegen eine Überhitzung der Wirtschaft und ausufernde Inflation. Erst vor zehn Tagen hatte die Notenbank den Leitzins angehoben: Der entscheidende Jahressatz beträgt derzeit 6,06 Prozent. Einlagen bei der PBOC werden mit 3,0 Prozent verzinst. Er war bereits die dritte Anhebung der entscheidenden Sätze seit Mitte Oktober.

Das Bruttoinlandsprodukt Chinas hat im vergangenen Jahr erneut um mehr als zehn Prozent zugelegt – trotz aller Bemühungen der Regierung, das Wachstums zu dämpfen. Die Inflationsrate war im Januar auf 4,9 Prozent gestiegen. Sie liegt damit den vierten Monat nacheinander über den Zielmarke Pekings von vier Prozent. Analysten westlicher Banken warnen, dass die jährliche Teuerung im Jahresdurchschnitt 2011 sogar über die Marke von fünf Prozent steigen könnte. Der durch die Dürre im Norden des Landes kräftig gestiegene Weizenpreis droht Lebensmittel weiter zu verteuern. Zugleich steuert das Land auf eine Immobilienblase zu. Sie wird angeheizt durch günstige Hypotheken, die die Geschäftsbanken wegen der in den zurückliegenden zwei Jahren um die Hälfte gewachsenen Geldmenge ausreichen können.

Die Furcht vor Inflation treibt derzeit Anleger in den Industriestaaten, aber auch in vielen Schwellenländern um. Hintergrund ist die Liquiditätsflut, mit der große Notenbanken wie die US-amerikanische Fed oder die Europäische Zentralbank (EZB) die Folgen der Finanzkrise zu bekämpfen versuchen. Die dadurch angeschwollene Geldmenge kann eine Teuerungswelle nach sich ziehen. Zugleich ziehen die Notierungen für Industrie- und Agrarrohstoffe an – auch, weil spekulatives Kapital lukrative Anlagemöglichkeiten sucht und sie an den Warenterminmärkten findet. Auch sorgt die durch die konjunkturelle Erholung weltweit gestiegene Nachfrage nach Rohstoffen und Nahrung für latenten Preisdruck.

Um der Teuerung Herr zu werden, hat die kommunistische Führung Chinas bereits Preiskontrollen für Lebensmittel angedroht. Neu sind Überlegungen, die Einfuhr von Nahrungsmitteln durch niedrigere Importzölle zu verbilligen. Details stünden noch nicht fest, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf zwei chinesische Gewährsleute. Offiziell gab es keine Stellungnahme zu dem Bericht. China hatte bereits 2008, als die Nahrungsmittelpreise zuletzt ein ähnliches Niveau erreicht hatte, die Importzölle für Sojaöl zeitweise um einen Prozentpunkt zurückgenommen.

Zugleich ließ die chinesische Notenbank die Landeswährung  Renminbi auf den höchsten Stand seit 17 Jahren steigen: Der Dollar kostete zeitweise nur noch 6,5778 Yuan. Seit Peking die feste Bindung an die US-Währung im Juli vergangenen Jahres gelockert hat, ist die Devise damit zum Greenback um fast 3,8 Prozent gestiegen und hat den höchsten Kurs seit Ende 1993 erreicht. Experten erwarten, dass der Renminbi in diesem Jahr insgesamt fünf bis sechs Prozent an Wert gewinnen wird. Nach der Lockerung setzt die PBOC jeden Tag einen Mittelwert fest, um den der Renminbi höchstens ein Prozent steigen oder fallen darf. Am Freitag betrug der Wert 6,5781 Yuan für 1 Dollar.

Westliche Industriestaaten, allen voran die USA, kritisieren Peking bereits seit längerem wegen der künstlich niedrig gehaltenen Landeswährung. Sie verbillige chinesische Ausfuhren und vermindere zugleich Importe in die inzwischen zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, argumentieren Kritiker. Die dadurch ausgelösten Ungleichgewichte werden sogar als einer der Gründe für die Finanzkrise herangezogen. Peking muss aber bei der Aufwertung vorsichtig agieren, nicht nur, weil ein rascher Anstieg das Wirtschaftswachstum gefährden würde: Die riesigen Devisenreserven des Landes wurden zu einem Gutteil in US-Staatsanleihen gesteckt, die in Dollar denominiert sind. Mit einem steigenden Renminbi werden sie daher tendenziell weniger Wert.

Zentralbankchef Zhou Xiaochuan sagte in Paris, „Druck von außen“ sei „niemals ein wichtiger Faktor“ bei den Überlegungen seines Instituts zur Devisenpolitik gewesen. In der französischen Hauptstadt treffen sich über das Wochenende die Notenbankchefs und Finanzminister der G20-Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer unter dem Vorsitz von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Tatsächlich lassen sich die Aufwertungsschritte der PBOC häufig mit weltpolitischen Ereignissen in Zusammenhang bringen, so etwa vor dem Besuch von Chinas Staatschef Hu Jintao bei seinem US-Amtskollegen Barack Obama Ende Januar im Weißen Haus.

Der Streit um angemessene Wechselkurse wird ein Thema des Pariser G20-Treffens sein. Den Bestrebungen Sarkozys, Druck auf die chinesische Führung auszuüben, dürfte aber wohl nur wenig Erfolg beschieden sein: Das „Wall Street Journal“ berichtete, chinesische Vetreter hätten zurückhaltend auf einen Vorstoß des französischen Staats- und Regierungschefs reagiert, das Thema innerhalb der Gruppe durch eigene Treffen aufzuwerten. Die Reaktionen auf seinen Vorstoß, eine erste Konferenz dieser Art unter seiner Leitung bereits Ende März in China selbst anzuhalten, seien auf wenig Gegenliebe gestoßen, hieß es unter Berufung auf mehrere ungenannte Offizielle. Aus der chinesischen Delegation heiße es vielmehr, solche Treffen sollten auf der Arbeitsebene stattfinden – also ohne hochrangige Vertreter wie Präsidenten, Notenbankgouverneure oder Regierungsmitglieder.

Auch die weltweiten Inflationssorgen werden die G20 beschäftigen – doch auch hier regt sich Widerstand gegen konkrete Schritte: Der ebenfalls angereiste US-Notenbankpräsident Ben Bernanke wies bei einer Rede vor der französischen Zentralbank darauf hin, sein 600 Mrd. schweres Aufkaufprogramm für US-Staatsanleihen dienen vor allem der Stützung der heimischen Konjunktur. Er trat damit Aussagen aus Schwellenländer entgegen, dass auch als Quantative Easing 2 (QE2) bezeichnete Programm – de facto das Anwerfen der Notenpresse – treibe auch die Teuerung außerhalb der Vereinigten Staaten hoch. Bernanke konterte, die Schwellenländer müssten vielmehr selbst großes Interesse an einer wachsenden Wirtschaft in der entwickelten Welt haben – wozu QE2 entscheidend beitrage. Der Zentralbanker spielte stattdessen den Ball nach China zurück: Der künstlich niedrig gehaltene Renminbi habe „zu einem Muster der globalen Ausgaben beigetragen, das unausgeglichen und untragbar ist“.

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